"DRehpunkt" Risiko- und Leistungsprüfung

COVID-19: Wenn die Impfpflicht kommt...

Müssen Versicherer den Impfstatus künftig aufklären? Und welche Auswirkungen hat die Einführung der Impfpflicht auf die Lebens- und BU-Versicherung?

In Italien und Frankreich gilt für medizinische Berufsgruppen bereits eine Impfpflicht, Österreich führt im Februar eine generelle Impflicht ein und auch in Deutschland wurde ein Gesetzesentwurf beschlossen, der eine Impfpflicht für bestimmte Berufe im Gesundheitswesen ab dem 15. März 2022 vorsieht. Ungeimpfte haben laut Robert-Koch-Institut (RKI) im Vergleich zu Geimpften ein bis zu 90 % erhöhtes Risiko, sich mit COVID-19 zu infizieren. Auch das Risiko für einen schweren Verlauf ist laut RKI um 90 % erhöht, insbesondere dann, wenn Komorbiditäten, z. B. Diabetes mellitus, Adipositas oder eine Lungenerkrankung vorliegen. 

Antragsfragen

Eine Anzeigepflicht seitens des Kunden besteht zu allen Umständen, nach denen er in Textform gefragt wurde. In Antragsformularen der meisten Versicherer findet sich keine Frage zum Impfstatus. Der Impfstatus ist daher aktuell nicht anzeigepflichtig. Es ist daher zu erwägen, ob bei Vertragsabschluss eine entsprechende Antragsfrage zu stellen ist.

Die Aufnahme einer Frage zum Impfstatus in das Antragsfragenset bringt aus unserer Sicht aufgrund der begrenzten Halbwertzeit wenig Mehrwert. Relevante COVID-19-Vorerkrankungen werden über die Frage nach stationären Behandlungen aufgeklärt. Hinzu kommt, dass der Status anderer Impfungen, z. B. Grippeschutzimpfung, nicht aufgeklärt wird, obwohl jährlich eine nennenswerte Anzahl an Personen verstirbt.

Sollte es Leistungseinschränkungen für Ungeimpfte geben?

Leistungseinschränkungen sind mit den aktuellen AVB der meisten Versicherer nicht begründbar. Denn die Nichtimpfung trotz Impfpflicht wäre zwar eine widerrechtliche Handlung; die absichtliche Herbeiführung der Berufsunfähigkeit wäre jedoch nicht gegeben. Eine Infektion mit Corona ist gerade nicht gewollt. Daher kann eine Nichtimpfung nicht mit einer vorsätzlichen Herbeiführung des Leistungsfalles gleichgesetzt werden. Der Versicherte muss sich zunächst infizieren und dann in der Folge so stark erkranken, dass die BU-Definition erfüllt ist. 

Zudem kann es im Einzelfall schwierig sein, einen Kausalitätsnachweis zwischen der Nicht-Impfung und der Erkrankung zu führen, die letztlich die Berufsunfähigkeit auslöst. Denn BU-relevante Erkrankungen durch Impfdurchbrüche bei Geimpften sind ebenso möglich. Weiterhin stellt die Nichtimpfung in der erwarteten Ausgestaltung des Gesetzes keine zu sanktionierende Straftat dar, sondern maximal eine Ordnungswidrigkeit. Zuletzt führt die Nichtimpfung nicht automatisch eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus herbei. Selbst bei einer vorsätzlich geplanten Immunisierung mit dem SARS-CoV-2-Virus durch Veranstaltung oder Teilnahme an Corona-Partys zur bewussten Ansteckung ist der Leistungsausschluss nicht erfüllt. Denn es soll nur die Immunisierung absichtlich herbeigeführt werden, nicht die COVID-Erkrankung. 

Grundsätzlich besteht die Leistungspflicht nämlich unabhängig davon, wie es zur Berufsunfähigkeit gekommen ist. Eine Mitwirkungspflicht des Versicherten in Form einer Impfung ist in den gängigen AVB nicht geregelt und kann daher auch nicht verletzt werden. Bedingungsanpassungen sind daher nach aktuellem Stand derzeit nicht angezeigt. 

Unsere Empfehlungen für die Risiko- und Leistungsprüfung

Die Aufklärung des Impfstatus im Neugeschäft besitzt wenig prognostische Aussagekraft für die Zukunft. Aktuell sehen wir daher noch keine Indikation zur Aufklärung des Impfstatus. Die künftige medizinische und auch gesellschaftliche Verlaufsentwicklung kann jedoch in der Zukunft eine Aufklärung notwendig machen. Leistungseinschränkungen für Ungeimpfte sind nicht begründbar. Aus unserer Sicht sind Bedingungsanpassungen ebenso wenig zu empfehlen. Aus aktueller Sicht erscheint es trotz kommender partieller Impfpflicht in Deutschland nicht sachgerecht, Ungeimpfte im Versicherungsschutz schlechter zu stellen als Geimpfte.